10.02.2022

Aus Fehlern lernen?

Vom vermeidbaren und vom intelligenten Scheitern.

Scheitern

Scherben bringen Glück. Aus Fehlern lernt man. Fail forward. Es gibt viele Redewendungen, die dem Scheitern etwas Positives abgewinnen.

Kürzlich ging es in einem Gespräch wieder einmal um «Fehlerkultur» und Lernen aus Fehlern. Offenbar ein sehr aktuelles Thema, wie die zahlreichen Zeitungsartikel, Blogbeiträge, Bücher und Ausstellungen in den letzten Jahren zeigen. In den vielen Beiträge geht es allerdings weniger um Fehler an sich, sondern vielmehr um das «Scheitern», das häufig mit Samuel Becketts «Ever tried. Ever failed. No matter. Try again. Fail again. Fail better.» in Verbindung gebracht wird. Und schon Laotse soll gesagt haben, Scheitern sei die Grundlage des Erfolgs. Doch wie passt scheitern in eine erfolgsorientierte Gesellschaft? Dazu ist es hilfreich, «scheitern» differenziert zu betrachten. Die folgende Unterscheidung erklärt auch den Aufschwung des Scheiterns in den letzten Jahren. Im Wesentlichen hängt es mit der zunehmenden Komplexität in der Wirtschaftswelt zusammen.

In einer komplizierten Umgebung führen Fehler zu vermeidbarem Scheitern

In einer komplizierten Umgebung, wenn das meiste plan- und steuerbar ist, ist das bestmögliche Vorgehen bekannt. Ein Abweichen von diesem bestmöglichen Vorgehen ist ein Fehler. Fehler passieren aus verschiedenen Gründen, obwohl bekannt ist (oder bekannt sein könnte), wie es richtig geht. Fehler können dazu führen, dass das Vorhaben scheitert. In diesem Fall ist Scheitern vermeidbar (und unerwünscht), weil bekannt ist, wie es richtig wäre.

Eine komplexe Umgebung verlangt intelligentes Scheitern

In einer zunehmend komplexen Wirtschaftswelt sind Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung kaum mehr zu bestimmen. Prozesse und Ergebnisse sind immer weniger plan-, steuer- und kontrollierbar. Somit gibt es kein bestmögliches, klar vorgegebenes Vorgehen mehr. Statt ein bestmögliches Vorgehen anzuwenden sind wir vermehrt darauf angewiesen, Neues zu wagen, auszuprobieren, zu testen. Dafür müssen Annahmen getroffen werden (weil ja nicht bekannt ist, was die richtige/beste Basis ist). Manchmal beruhen diese Annahmen auf Irrtümer. Irrtümer führen dazu, dass Versuche scheitern. Aus diesem Scheitern ist es möglich, Erkenntnisse zu gewinnen (beim vermeidbaren Scheitern ist der Erkenntnisgewinn relativ klein). In komplexen Situationen ist es ein kluges Vorgehen, zu scheitern. Man kann es als «intelligentes Scheitern» bezeichnen.

Differenzierung des Scheiterns

Scheitern hat also unterschiedliche Ursachen. Während Fehler in einer komplizierten Umgebung zu «vermeidbarem Scheitern» führen, führen Irrtümer in einer komplexen Umgebung zu einem «intelligenten Scheitern». In der heutigen Arbeitswelt gibt es sowohl komplizierte als auch komplexe Situationen. Je nachdem ist Scheitern zu vermeiden oder ein Mittel, um schnell zu lernen. Diese Unterscheidung ist nicht immer einfach. Aus den dargelegten Gründen sprechen wir nicht mehr von Fehlerkultur, sondern von der Kultur des Scheiterns und interessieren uns für dessen Ursache (Fehler oder Irrtum).

Autor

Beat Kunz

Beat Kunz ist Organisations- und Kommunikationsberater. Im Blog berichtet er aus seiner vielfältigen Tätigkeit bei crearium.

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