11.11.2020

Wenn sich die Entscheidung «von selber» ergibt

Ein Team praktiziert gemeinschaftliches Denken.

Mehrperspektive

Mehrere Perspektiven nutzen, um den Dingen auf den Grund zu gehen.

Entscheidungen werden überhaupt erst notwendig, wo etwas unklar ist und wo uns Informationen und Wissen fehlen. Um trotzdem in die Handlung zu kommen, versuchen wir, das Problem des Nichtwissens durch entscheiden zu lösen. Dass es auch eine andere Möglichkeit gibt, zeigt dieser Blogbeitrag.

Die Situation

Ein interdisziplinäres, grösseres Team begleitet und betreut Menschen mit Beeinträchtigung. Die einzelnen Kollegen und Kolleginnen sehen sich durch die verschiedenen Diensteinsätze, Schichten und Pikettdienste nicht sehr oft. Die Kommunikation findet feingliederig in verschiedenen Kommunikationsgefässen synchron und asynchron statt. Unter anderem in der Teamsitzung und in der Supervision. In diesen beiden Gefässen kommt das ganze Team zur gleichen Zeit zusammen. In der Supervision gibt es Raum, um auf Anliegen von Kollegen und Kolleginnen eingehen zu können. So auch dieses Mal. Ein Teammitglied brachte den Wunsch auf, eine Frage gemeinsam zu erörtern. Sie war sich unsicher, ob ein Sachverhalt, der sich zugetragen hat, eine nachhaltige Bedeutung für die Gruppe hat und ob es sinnvoll wäre, diese Begebenheit bei der Geschäftsleitung zu deponieren. Ihr Wunsch war, von allen die Meinung zu hören. Ihr Ringen um diesen Entscheid und ihre Sorge waren deutlich spürbar. Die Teammitglieder fokussierten ihre Aufmerksamkeit auf diese Fragen und äusserten sich ruhig und bedacht. Es gab unterschiedliche Perspektiven und doch kristallisierte sich eine Gruppenrealität heraus. Das Teammitglied, das die Frage eingebracht hatte, rundete das Gespräch folgendermassen ab: «Es ist für mich nun klar, dass es für uns als Gruppe zu wenig Bedeutung hat.» Die Erleichterung darüber, dass sich ein gemeinschaftliches Verständnis in der Gruppe gebildet hatte und es so auch keine Unklarheit mehr gab, erleichterte sie spürbar.

Was ist da passiert?

Hier hat sich eine beeindruckende Kommunikation gezeigt, bei der Beobachtungen und Bedeutungsgebungen ausgetauscht wurden und die Frage nach Sinn und Wert geklärt wurde. Es war ein aktives einander Zuhören und ein Zurücknehmen von persönlichen Befindlichkeiten. Nicht alle Teams schaffen das gleich gut. Fritz B. Simon nennt das Teamintelligenz und beschreibt sie wie folgt: «Die Fähigkeit, das intellektuelle Potential einer grösseren Anzahl von Individuen einander zur Verfügung zu stellen und gemeinschaftlich zur Problemlösung zu nutzen.» Und was ist mit der Entscheidung passiert? Durch das Sammeln von Informationen, Wissen und Bedeutungsgebungen hat sich die Entscheidung ergeben.

Bezug zur aktuellen Arbeitswelt

Im Moment erleben wir alle in der Arbeitswelt Ungewissheit. Im Umgang mit Ungewissheit nutzen wir die Team- oder Gruppenintelligenz noch wenig. In der Tendenz erlebe ich eher, dass gerade bei komplexen Sachverhalten zu schnell entschieden wird. Oder wie oft erleben Sie es, dass in einer Sitzung einander zugehört wird? Dass jemand nachfragt und erforscht und die Zusammenhänge wirklich ergründet werden? Dass die Mehrperspektiven aktiv genutzt werden? Dass durch Wissensteilung ein gemeinschaftliches Verständnis gebildet wird, bevor Handlungspunkte definiert werden?

Autorin

Luzia Anliker

Luzia Anliker ist Beraterin und Coach. Im Blog berichtet sie aus ihrer langjährigen und vielfältigen Tätigkeit bei crearium.

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