06.09.2017, Interkulturelle Entwicklung

«In der Schweiz wird lösungsorientiert gearbeitet»

Die Art der Kommunikation und die Vorgehensweise im Arbeitsalltag sind die grössten Unterschiede in der Arbeitswelt von Mexiko und der Schweiz, sagt Carla Sager, Export Manager bei Maestrani.

Carla Sager (42) ist Export Manager bei Maestrani, einem Schokoladenhersteller in Flawil SG. Sie beliefert Kunden aus der ganzen Welt mit Schokoladenprodukten aus dem Standardsortiment, entwickelt aber auch kundenspezifische Produkte für die jeweiligen Märkte. Sie ist in Mexiko aufgewachsen und hat am Tec de Monterrey einen Abschluss in International Business erlangt. Nach einem Studienaufenthalt in Montreal (Kanada) arbeitete sie mehrere Jahre in Mexiko im Exportbereich. 2003 kam sie in die Schweiz und ist auch hier immer in Verkaufspositionen, die mit Exportprodukten zu tun haben, tätig gewesen. 2013 hat sie an der Hochschule Luzern - Wirtschaft den MAS in Brand & Marketing Management abgeschlossen. 

Carla Sager

Carla Sager ist Export Manager bei Maestrani.

Carla, wo siehst du Unterschiede bei der Arbeit in Mexiko und in der Schweiz?

Den grössten Unterschied erlebe ich in der Kommunikation. In der Schweiz ist die Kommunikation sehr viel offener und beruht auf Fragen. In Mexiko beruht sie auf Befehlen. Das macht einen gewaltigen Unterschied. Durch Fragen gelingt es, etwas zu verstehen und in die Tiefe vorzudringen. Hier in der Schweiz ist das erwünscht und erlaubt, in Mexiko gelten Fragen oft als ein Zeichen von Schwäche.

Gibt es weitere Unterschiede?

In Mexiko sind die Unternehmen sehr viel hierarchischer organisiert als in der Schweiz. Und in der Schweiz wird lösungsorientiert gearbeitet, während Mexiko eher problemorientiert ist. Möglicherweise hängt das mit der Hierarchie zusammen.

Was sind deine Hauptschwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Schweizerinnen und Schweizern?

Nun, obwohl ich inzwischen Schweizerin bin, sehe ich nicht typisch schweizerisch aus. Und ich bin eine Frau. So habe ich ab und zu zu kämpfen, dass meine Fähigkeiten anerkennt werden.

Manchmal ist mein Temperament auch etwas dynamischer oder spontaner als das von Schweizer Kollegen. Das kann gelegentlich auch zu Widerständen führen. Und ich musste lernen, Fragen zu stellen. Von Mexiko her bin ich das nicht gewohnt.

Was hast du in der Schweiz bezüglich interkulturellen Unterschieden sonst noch gelernt?

Schweizerinnen und Schweizer können auf eine höfliche Art delegieren. In der mexikanischen Kultur hingegen benutzt man oft den Begriff "Du musst". Das kommt hier nicht gut an, in Mexiko ist das ganz normal. Ausserdem habe ich durch das Bild, das die Schweizerinnen und Schweizer von Mexiko haben, viel über Mexiko gelernt. Mir wurde beispielsweise erst in der Schweiz bewusst, dass es in Mexiko so grosse Klassenunterschiede gibt.

Was irritiert dich auch noch nach 14 Jahren, in denen du in der Schweiz lebst?

Auch nach so vielen Jahren bin ich immer noch auf dem Weg, in der Schweiz anzukommen. Ich erlebe es immer wieder, dass ich hier viel lernen kann.

Wie hast du dir deine interkulturelle Kompetenz angeeignet?

Mit 16 Jahren habe ich mich entschlossen, International Business zu studieren. Schon damals interessierte mich das Andere. Während dem halbjährigen Studienaufenthalt in Kanada lebte ich in einer anderen Kultur und in meinem Job im Exportbereich hatte ich auch immer mit anderen Kulturen zu tun. Ich hatte also bereits etwas internationale Erfahrung, bevor ich in die Schweiz kam.

Welche Tipps kannst du anderen in Bezug auf interkulturelle Zusammenarbeit geben?

Das Wichtigste ist wohl, offen zu sein. Und eine grosse Bereitschaft, umzulernen. Es ist hilfreich, ein Verständnis dafür zu haben, dass dein Gegenüber deine Kultur durch seine Brille sieht. Diese Brille beruht nicht immer nur auf eigenen Erfahrungen und vieles wird einfach von irgendwoher übernommen und zu einer eigenen Meinung gemacht. Dann hilft jeweils eine grosse Portion Toleranz und ein kleines Stück Schokolade.

Autor

Beat Kunz

Beat Kunz ist Organisations- und Kommunikationsberater. Im Blog berichtet er aus seiner vielfältigen Tätigkeit bei crearium.

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