28.09.2016, Interkulturelle Entwicklung

Der Rückkehrschock nach einem Auslandaufenthalt

Welche Schwierigkeiten sich einem Expat bei der Rückkehr stellen können.

Eine Auslandsentsendung beginnt mit jeder Menge Papierkrieg und im besten Fall mit viel Vorbereitung: Gesundheitscheck, Impfungen, Wohnungssuche im Ausland, Sprachschule, interkulturelles Training und so weiter. Die Unterstützung, die ein Expat und die Mitreisenden erfahren, nimmt im Laufe der Zeit im Ausland oft kontinuierlich ab.

Wenn die Rückkehr in die Heimat ansteht, gibt es dann oft gar keine Unterstützung mehr. Warum sollte es beim Umzug nach Hause auch Unterstützung brauchen? Ist es nach all den Erfahrungen mit Neuem und Ungewohnten nicht das Einfachste, ins gewohnte Umfeld zurück zu kehren?

Die eigene Veränderung und die des Umfelds

Der Rückkehrschock (auch reverse culture shock) trifft Expats oft unverhofft. Während der Monate oder Jahre im Ausland fallen einem die persönlichen Veränderungen und die professionelle Weiterentwicklung nicht auf. Die Rückkehr in die Heimat bietet somit die erste Gelegenheit, die Veränderungen und den vollzogenen Perspektivenwechsel zu erleben. Man fühlt sich plötzlich fremd in der alten Heimat.

Doch nicht nur der Expat verändert sich während der Zeit im Ausland, sondern auch die alten heimatlichen Gefilde – die Firma, die Freunde und das Umfeld. Der Expat hat aber oft das alte Bild vor Augen und braucht Zeit, um die Veränderungen zu bemerken und zu erfahren. Hier entsteht schnell das Gefühl, sich fremd zu fühlen und der Bedarf an Informationsupdates ist gross.

Ein weiterer Punkt ist der Lebensstil und der Arbeitsrhythmus. Nach einem oft sehr anderen, allenfalls sogar exotischen Lebensstil oder unterschiedlichen Arbeitsrhythmus ist es eine Herausforderung, sich wieder an die alten Regeln zu gewöhnen. Die alte Firmenkultur wirkt dann schnell „spiessig und starr“.

Eine Kundin erzählt von ihrer Rückkehr

Der Rückkehrschock zeigt sich häufig in ganz kleinen Dingen. Eine Kundin, die drei Jahre als Product Sourcing Manager für ein Grossunternehmen in Indien gearbeitet hat und nun wieder in die Schweiz in den Mutterkonzern zurückgekehrt ist, hat mir folgende Beispiele von ihrer Rückkehr erzählt:

„Nach meiner Rückkehr in die Firma, habe ich meine ehemalige Abteilung besucht. Ich war sehr erstaunt, fast überall neue Gesichter zu sehen! Beim Nachfragen hörte ich dann von Kündigungen oder angetretenem Mutterschaftsurlaub. Diese Informationen haben mich in Indien nie erreicht.“

„Mir ist aufgefallen, dass in der Schweiz fast alle Velofahrer einen Helm tragen. Nach drei Jahren Indien, wo weder Velo-, Moped- oder Motorradfahrer einen Helm tragen, war der Anblick für mich gewöhnungsbedürftig. Ich musste nachfragen, ob in der Schweiz neu Velohelmtragen obligatorisch ist.“

„Die Kantine war in der Zwischenzeit neu eingerichtet worden. Auch die Kaffeemaschinen waren neu und konnten nur noch mit aufgeladenem Badge bedient werden. Dies wurde mir am ersten Tag zum Verhängnis, da ich diese Änderung nicht mitbekommen habe und mit Bargeld bezahlen wollte. Als ich erfolglos versuchte, einen Kaffee rauzulassen, wurde hinter mir die Schlage immer länger und ich erntete erstaunte Blicke und Kommentare wie „Weisst du denn nicht, dass es nur mit Badge geht?“ Ich kam mir sehr fehl am Platz vor.“

„Im Bekanntenkreis haben sich in der Zwischenzeit einige Paare getrennt oder andere Partner oder Partnerinnen gefunden. Das habe ich aber nicht mitbekommen. Darum bin ich schon mehrmals ins Fettnäpfchen getreten, wenn ich nach dem Befinden des Partners oder Partnerin nachgefragt habe. Oft höre ich dann Sätze „Ach, hast du das nicht bekommen?“ Ich bin nun beim Nachfragen sehr vorsichtig und ich habe den Überblick über meinen Bekanntenkreis verloren.“

„In Indien zu leben und zu arbeiten hat meine Sicht verändert. Nach meiner Rückkehr ertappe ich mich oft dabei, dass ich innerlich denken: wir haben hier in der Schweiz nur Wohlstandsprobleme.“

Autorin

Luzia Anliker

Luzia Anliker ist Beraterin und Coach. Im Blog berichtet sie aus ihrer langjährigen und vielfältigen Tätigkeit bei crearium.

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