Wir waren wandern. Weil bei uns in den letzten Monaten in verschiedenen Mandaten das Thema Rollen, Rollenfindung, Umgang mit Rollen aktuell war, haben wir uns während der Wanderung überlegt, ob sich unsere Wanderung als Beispiel eignen würde, um das Konzept der Rollen zu beschreiben. Hier sind unsere Gedanken dazu und wir hoffen, so zu einem besseren Verständnis über Rollen beizutragen.
Als ehemaliger Pfadfinder war es für mich ganz natürlich, mit der Karte in der Hand voranzugehen, das Tempo unter Berücksichtigung von Luzias Atemfrequenz zu bestimmen und bei Abzweigungen zu entscheiden, welche Richtung wir einschlagen. Wir mussten uns dazu nicht absprechen. Wir haben die Rolle «Wanderleiter» auch nicht definiert und festgelegt, welche Aufgaben dazu gehören. Es war für uns beide selbstverständlich, dass ich diese Rolle übernehme. Ich habe mehr Erfahrung beim Kartenlesen, beim Einschätzen der Wetterlage und beim Wandern generell. Man könnte sagen, Könnerschaft hat dazu geführt, dass ich die Rolle «Wanderleiter» (nach dem Pull-Prinzip) übernommen habe.
Es gab eine Stelle auf der Route, wo der Wegverlauf nicht eindeutig war. Es war eine Art Wegverzweigung ohne Wegweiser und Wegmarkierungen waren keine zu sehen. Aufgrund der allgemeinen Richtung, die wir anstrebten, entschied ich in meiner Rolle als Wanderleiter, dass wir dem linken Wegverlauf folgten. Nach drei Schritten bemerkte Luzia, dass es bei der rechten Abzweigung doch eine Wandermarkierung gibt und dass der rechte Weg wohl der richtige sei. Aus dem neuen Blickwinkel sah ich die Wegmarkierung auch und wir schlugen den rechten (und schlussendlich richtigen) Weg ein. Alles kein Problem, zusammen haben wir den richtigen Weg gefunden.
Was ist hier passiert? In meiner Rolle als Wanderleiter habe ich entschieden, aufgrund der mir vorliegenden Informationen. Ich hätte Luzia für diese Entscheidung vorgängig konsultieren können, doch mir schien die Entscheidung wie so viele vorher zu geringfügig, als dass sich eine Konsultation gelohnt hätte. Luzia auf der anderen Seite war grundsätzlich einverstanden, dass ich die Rolle Wanderleiter übernommen habe. Für sie war das völlig in Ordnung so. Sie hat dennoch mitgedacht und sich nicht gesagt: Okay, er hat die Rolle Wanderleiter, er muss sich um alles kümmern, das geht mich alles nichts mehr an, er ist dann schuld, wenn wir uns verirren. Nein, sie hat die Wandermarkierungen ebenfalls beachtet und sich gemeldet, als sie Zweifel am Entscheid hatte. Nach gemeinsamer Beratschlagung war es klar. Ohne Vorwürfe oder verletzte Eitelkeiten.
Ich bin überzeugt, in Organisationen geht die Rollenfindung und -ausübung genau gleich. Bei nur zwei beteiligten Personen wie bei unserer Wanderung ist es natürlich einfacher zu wissen, wer welche Rolle hat. Bei einer grösseren Anzahl beteiligter Personen kann es sinnvoll sein, schriftlich festzuhalten, wer welche Rolle gezogen hat und die Person beschreibt kurz, was sie unter dieser Rolle versteht. Es ist weder nötig noch möglich, die Rolle abschliessend zu definieren. Vielmehr gilt es immer wieder, die Erwartungen auszuhandeln. Mir ist bewusst, dass das für Organisationen, die mit detaillierten Stellenbeschrieben und AKVs arbeiten, abenteuerlich klingt. Doch ehrlicherweise muss man sagen, dass auch detaillierte Stellenbeschreibungen nie so umfassend sind, dass sie sämtliche Situationen abdecken und selten aktuell sind. Und dann beginnt es zu knirschen im System. Da sind die Übernahme und Gestaltung von Rollen sehr viel natürlicher.
PS: Und es freut uns sehr, dass wir mit unserer Live-Schilderung in einem Team auch in Sachen Humor einen Beitrag leisten konnten☺.
Kommentare (2)
Was sind eure Erfahrungen in dieser Hinsicht?