Wir leben in einer Wissensgesellschaft. Aber leben wir auch in einer Könnergesellschaft? Schon zeigt sich, dass es einen Unterschied gibt zwischen Wissen und Können. Wenn ich zwar weiss, wie sich Wasser zusammensetzt und wie sich der Auftrieb auf (physikalische) Körper auswirkt und welche Muskelbewegungen benötigt werden, um zu schwimmen, bedeutet das noch nicht, dass ich tatsächlich schwimmen kann.
«Wissen ist keine Kompetenz». Dieses Zitat stammt von Prof. Dr. Rolf Arnold der sich seit Jahren mit Kompetenzbildung auseinandersetzt. Wissen und Können - beides ist lernbar. Allerdings auf unterschiedliche Weise. Wissen kann ich mir durch Lehre, Lektüre oder Video-Tutorials aneignen. Können durch vormachen-nachmachen, durch üben und sich aneignen, etwas durchdringen und in den unterschiedlichsten Kontexten anwenden. Das ist eine emotionale Erfahrung der Selbstwirksamkeit. Natürlich braucht es dafür auch Wissen. Aber Wissen entwickelt sich nicht automatisch zu einer Kompetenz.
In der heutigen, zunehmend komplexen Arbeitswelt ist Wissen ein Problem. Weil das Wissen immer schneller veraltet. Es geht also weniger darum, einfach nur möglichst viel zu wissen. Immer wichtiger wird das Können. Doch für Können reicht es nicht, noch einen weiteren Artikel in einem Fachmagazin zu lesen. Um etwas zu können, muss ich es üben. Zum Üben gehört auch, Fehler zu machen und sich zu reflektieren. Wenn Organisationen mehr Können brauchen ist es naheliegend, auch Ressourcen für das Üben zur Verfügung zu stellen. Doch passiert das? Erstaunlicherweise stellen wir immer wieder fest, wie schnell behauptet wird zu wissen, was zum Beispiel Agilität oder Selbstorganisation heisst. Doch wieviel Zeit wird wirklich in das Können investiert? Wieviel Zeit wird dem Üben zugesprochen? Eine bemerkenswerte Aussage dazu hat auch Joël Krapf (Head Lean Portfolio & Transformation beim Migros Genossenchaftsbund) an einem Vortrag geteilt: «Wir haben am Anfang [unserer Transformation] die Zeit unterschätzt, die es braucht, um die neuen Methoden, Arbeitsweisen, Denkmodelle zu durchdringen und zu üben.»
Ein gutes Beispiel dafür erleben wir in einer Organisation, die wir unterstützen. Ein Unternehmensbereich organisiert monatlich ein Barcamp, bei dem Wissen geteilt und gemeinsam gelernt wird. Denn Lernen ist Teil der Arbeit. Oder wie es Harold Jarche, ein kanadischer Lernexperte, ausdrückt: «Work is learning and learning is the work».
Im Barcamp entstehen die Themen und Gesprächsgruppen selbstorganisiert und jeder investiert seine Zeit in das Thema, das für ihn oder sie relevant ist. Ebenfalls geübt wird an diesen Barcamps das Gewinnen von Erkenntnissen. Auch in diesem Prozess steigert Übung die Qualität. Die Effekte sind eindrücklich. Waren die festgehaltenen Erkenntnisse anfänglich noch sehr oberflächlich und generisch, sind sie heute wesentlich prägnanter und viel griffiger. Dieser Lernfortschritt ist ungemein hilfreich. Denn wie will ich kluge Entscheide fällen ohne vorgängig Erkenntnisse gewonnen zu haben?
Buchtipp: Wissen ist keine Kompetenz. Rolf Arnold und John Erpenbeck. Schneider Hohengehren Verlag.
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