Im Rahmen einer Organisationsentwicklung bei einem mittelgrossen Transportunternehmen haben wir bei Kaderanlässen das «Freiwilligkeitsprinzip» – oder besser: Selbstbestimmungsprinzip – eingeführt. Was das bewirkt hat, beschreibt dieser Blogbeitrag.
Das Freiwilligkeits- oder Selbstbestimmungsprinzip ist ein starkes Instrument. Bei diesem Unternehmen bedeutet es, dass die eingeladenen Kaderpersonen selber über ihre Teilnahme am Anlass entscheiden. Früher waren das eigentliche Pflichtveranstaltungen, weil das Top Management mindestens implizit erwartet hat, dass die Führungspersonen teilnehmen. Mit der Einführung des Selbstbestimmungsprinzips verfolgte das Unternehmen mehrere Absichten. Es zeigt damit, dass es den Führungspersonen zutraut, selber zu entscheiden, ob sie mit ihrer Teilnahme beitragen beziehungsweise für sich selber etwas mitnehmen. Ausserdem konnte es darauf vertrauen, dass die Teilnehmer:innen motiviert sind, um konstruktiv mitzuwirken. Die Entscheidung zur Einführung des Selbstbestimmungsprinzips war wohl überlegt, denn es gab einige Bedenken, wie gut es funktioniert und ob die verfolgten Absichten eintrafen.
Nach einigen Veranstaltungen zogen wir gemeinsam ein Fazit. Es zeigte sich, dass die Motivation der Teilnehmer:innen sehr hoch war und die Qualität der Beiträge zunahm. Dies löste einen zusätzlichen Schub aus. Die Zahl der Teilnehmer:innen schwankte, nahm in der Tendenz jedoch eher zu. Dennoch gab es viele Eingeladene, die sich gegen eine Teilnahme entschieden. Das führte bei den Mitgliedern des einladenden Gremiums zu gemischten Gefühlen. Einerseits begrüssen sie, dass die Eingeladenen ihre Verantwortung wahrnehmen und sich entscheiden. Andererseits bezweifeln sie, dass sich die Eingeladenen ihre Entscheidung wohl überlegt haben und die neue Möglichkeit einfach zu ihren Gunsten ausnutzen. «Ich habe Mühe damit, wenn ein so beträchtlicher Teil des Kaders nicht an den Kaderanlässen teilnimmt», sagte der CEO. «Aber ich versuche, ihre Beweggründe zu verstehen und nicht einfach in Vorurteilen zu denken.»
Diesen Ansatz begrüssen wir sehr. Denn nach einer Auswertung der Absagegründe zeigte sich, dass die meisten Absagen wegen Ferien oder geplanten Abwesenheiten erfolgten. Die weiteren Gründe waren Krankheiten/medizinische Eingriffe sowie Unterbesetzungen im operativen Geschäft, die ein Aushelfen der Kaderpersonen erforderten. Schlussendlich waren die Abmeldungen plausibel und nachvollziehbar. Die Befürchtung, die Eingeladenen würden einfach aus Desinteresse nicht teilnehmen, hat sich entkräftet.
Interessanterweise bleibt dennoch ein diffuses Gefühl zurück. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Da ist die Macht der Gewohnheit. Wenn früher immer praktisch alle Kaderpersonen teilnahmen (weil sie mussten), kann es schon frustrieren, wenn es viele Lücken gibt. Weiter trägt das eigene Interesse an der Sache dazu bei, dass wir davon ausgehen, dass auch alle anderen Kaderpersonen diese Themen als höchste Priorität einzustufen hätten – was natürlich nicht zwingend so ist. Zu guter Letzt ist auch mein Menschenbild dafür verantwortlich, was ich über meine Kollegen und Kolleginnen denke.
Aus diesen Erfahrungen können wir verschiedene Merkpunkte ableiten:
Wie stehen Sie zum Selbstbestimmungsprinzip, bei dem die Eingeladenen selber entscheiden, ob sie bei einer Organisationsveranstaltung teilnehmen oder nicht?
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