Bei neuen Vorhaben (Projekten) ist zu Beginn sehr vieles unklar. Und trotzdem sind erste Entscheidungen fällig. Dann hilft es zu unterscheiden, welchen Ursprungs die Unklarheiten sind. Wie wir zwischen Unsicherheit und Unwissen unterscheiden können, davon handelt dieser Blogbeitrag.
Das Verständnis über das Wissen in Organisationen ist bei genauerer Betrachtung sehr oft erstaunlich gering. Wir meinen zu wissen, doch in Tat und Wahrheit sind es vielfach bloss ein Bauchgefühl respektive weit verbreitete Denkfehler. Die Erklärungen dafür sind unter anderen der «Bestätigungsfehler» (Confirmation Bias) oder die unbewusste Annahme (schwammige Theorien, die ich irgendwo irgendwie einmal halbwegs aufgeschnappt habe, z.B. «Der Einsatz von künstlicher Intelligenz vernichtet Arbeitsplätze»). Dieses Phänomen wird auch als «Illusion des Wissens» bezeichnet und bedeutet eigentlich «Blindheit gegenüber der eigenen Blindheit» (Habermann/Schmidt).
Wenn ich meine Entscheidungen auf solchen Grundlagen abstütze, kann das schnell recht heikel werden. Die Methode «Uncertainty Mapping» von Frank Habermann und Karen Schmidt hilft, mehr Klarheit zu erlangen und somit zwischen «echter Unsicherheit» (Risiko) und Unbekanntheit (sogenannte blinde Flecken) zu unterscheiden. Ausserdem unterstützt die Methode das Entwickeln eines gemeinsamen Verständnisses und macht gleichzeitig die verschiedenen Sichtweisen der beteiligten Personen sichtbar.
Dazu sind die beteiligten Personen in einem Workshop eingeladen, in einem «Silent Brainstorming» Unsicherheiten bezüglich des Vorhabens auf Post-its zu notieren. Anschliessend stellt jede Person die Unsicherheiten, die sie notiert hat, vor. Im nächsten Schritt entscheiden die Anwesenden bei jeder Unsicherheit, zu welcher der beiden Kategorien sie gehört:
Um die Unsicherheit einer der beiden Kategorien zuordnen zu können, hilft die Frage «Können wir in diesem Punkt irgendwie aktiv werden, um die Unsicherheit zu beseitigen?». Lautet die Antwort «Ja», gehört sie in die Kategorie «Blinde Flecken». Wenn die Antwort «Nein» ist, gehört sie in die Kategorie «Risiko».
Für die allermeisten Punkte bei den blinden Flecken können die Anwesenden Massnahmen festlegen, die die Unsicherheit eliminieren. Bei den Risiken bleibt nichts anderes übrig, als sie zu beobachten. Sie können nicht aktiv beeinflusst werden. Allenfalls können die Involvierten überlegen, was sie im Fall des Eintretens tun könnten.
Die Methode an sich ist einfach und trägt stark zur Gewinnung von Klarheit bei. Diese kommt jedoch nicht von allein. Die gemeinsam festgelegten Massnahmen lösen Arbeit aus. Das ist nicht immer angenehm (insbesondere, wenn das Vorhaben eilt), bringt jedoch deutlich bessere, weil auf klareren Grundlagen beruhenden Entscheide hervor. Und damit ist in der Regel insgesamt mehr gewonnen (auch Zeit).
Quelle: «Hey, nicht so schnell». Frank Habermann, Karen Schmidt. Gabal, 2021.
Anmerkung: Habermann/Schmidt verwenden die Begriffe Unsicherheit, echte Unsicherheit und Risiko. In einem früheren Blogbeitrag haben wir noch genauer zwischen Risiko, Unsicherheit und Ungewissheit unterschieden. Daraus ergibt sich, dass die von Habermann/Schmidt genutzten Begriffe «Risiko/echte Unsicherheit» eigentlich Risiko, Unsicherheit und Ungewissheit umfassen.
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