10.05.2017, Interkulturelle Entwicklung

«Überheblichkeit kommt nie gut an»

Daniel Sager arbeitet bei ABB. Welche interkulturellen Erfahrungen er dabei macht, erzählt er hier.

Daniel Sager (46) arbeitet bei ABB als Area Sales Manager. Sein Aufgabengebiet umfasst die Verkaufs- und Projektabwicklung von Elektrifizierungssysteme für den Bergbau, die Aluminium- und die Zementproduktion. Er ist ausgebildeter Elektroingenieur, hat direkt nach dem Studienabschluss bei ABB begonnen und später am renommierten IMD in Lausanne eine berufsbegleitende Weiterbildung in Finanzwirtschaft abgeschlossen. Seine Arbeitstätigkeiten führten ihn in die ganze Welt. Längere Projektaufenthalte hatte er in Saudi-Arabien, Malaysia, Südafrika, Kanada und Mexiko. In seiner aktuellen Position hat er vorwiegend mit Chile zu tun.

Daniel Sager hat bei seiner Arbeit als Area Sales Manager mit Menschen aus anderen Kulturen zu tun.

Wie sieht deine Zusammenarbeit mit Chile aus?

Bei meiner Arbeit habe ich sowohl mit chilenischen Kunden wie mit chilenischen ABB-Kollegen zu tun. Zusammen mit den Kollegen in Chile versuche ich, Projekte von Bergbaukunden für ABB zu gewinnen. Das bedingt häufige Reisen nach Chile und viele Besprechungen mit Kunden und involvierten Ingenieur- und Projektabwicklungsfirmen.

Wo siehst du die grössten Unterschiede bei der Arbeit zwischen der Schweiz und Chile?

Am augenfälligsten sind sicher die Rahmenbedingungen, die in den beiden Ländern sehr unterschiedlich sind. In der Schweiz gibt es eine stabile, gut funktionierende Infrastruktur. In Chile dauert alles sehr viel länger, zum Beispiel weil die Bürokratie grösser ist und die Selbstverantwortung geringer. Auch sind in Chile die Hierarchien stärker ausgeprägt als bei uns in der Schweiz und die Fluktuation des Personals ist viel höher. Das macht ebenfalls alles langwieriger und aufwändiger.

Was sind deine Hauptschwierigkeiten in der Zusammenarbeit mit Chile?

Was ich und viele meiner Schweizer Kollegen im Umgang mit Chilenen zuerst lernen mussten, ist der unterschiedliche Kommunikationsstil. In der Schweiz gehen wir recht fokussiert und pragmatisch mit Informationen um. In Chile muss ich immer alles allen erzählen. Die Schweiz ist ein Land des E-Mails, Chile ein Land des Gesprächs. Wenn ich einem chilenischen Kunden eine Datei per E-Mail schicken will, rufe ich ihn vorher und nachher an. Einerseits um sicher zu stellen, dass er die Mail auch beachtet und versteht. Anderseits um abzuklären, ob er in seinem E-Mail-Account auch genügend Speicherplatz für das Dokument hat.

Gibt es weitere Herausforderungen?

Die flacheren Hierarchien in der Schweiz führen zu einem breiteren, vernetzteren Denken. Die Leute hier haben weiterreichende Verantwortungen und Entscheidungen werden auf einer guten Datenbasis gefällt. In Chile sind die Zuständigkeiten sehr viel stärker begrenzt. Das bedeutet, dass jeder nur für seinen Bereich schaut. So passiert es häufiger, dass es zu ungünstigen Entscheidungen kommt oder Entscheidungen ganz ausbleiben.

Wie gehst du mit dieser Situation um?

Ich versuche, alle so gut es geht einzubeziehen und adäquat zu informieren. Ich bin in Chile sehr gut vernetzt und ich kenne sowohl die Kunden-, wie die Lieferantenseite sehr gut. Dadurch habe ich ein grosses Verständnis für die jeweiligen Situationen. Die persönliche Beziehung zu meinen Kontakten ist sehr wertvoll.

Was irritiert dich auch noch nach 8 Jahren, in denen du mit Chile zu tun hast?

Was mich immer wieder befremdet ist eine gewisse Lernresistenz – in der Schweiz wie in Chile. Wir haben eine intensive Zusammenarbeit und erzielen trotzdem wenig Lernfortschritte im verständnisvollen Umgang miteinander. Das hängt auch damit zusammen, dass die involvierten Personen immer wieder wechseln und wenig Kenntnisse und Verständnis haben über die Situation des anderen.

Wie hast du dir deine interkulturelle Kompetenz angeeignet?

Durch Learning by doing bei meinen langen Einsätzen vor Ort. Ich habe dort jeweils versucht, mich so gut es geht in das Sozialleben zu integrieren. Dazu gehört auch, die jeweilige Landessprache zu lernen und anzuwenden. Das ist wahrscheinlich das allerwichtigste, denn Sprache ist ein wesentlicher Aspekt einer Kultur. Mit dem Lernen der Sprache lernt man auch die Kultur kennen und verstehen.

Welche Tipps kannst du anderen in Bezug auf interkulturelle Zusammenarbeit geben?

Sehr wichtig ist die Wertschätzung anderen gegenüber und die jeweiligen Personen zu respektieren. Desinteresse an der anderen Kultur und Überheblichkeit kommen nie gut an. Man muss versuchen, den andern zu mögen und dabei vermeiden, sich selber als etwas Besseres darzustellen.

Autor

Beat Kunz

Beat Kunz ist Organisations- und Kommunikationsberater. Im Blog berichtet er aus seiner vielfältigen Tätigkeit bei crearium.

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