17.11.2022

So geht Lernen

Lernen funktioniert völlig eigenmotiviert, wie das Beispiel eines Vierzehnjährigen zeigt.

Lernen

Lernen erfolgt selbstmotiviert.

Am letzten Samstag war Gotti-Tag mit dem 14-jährigen Gottibub. Gegen zehn Uhr trafen wir bei ihm zu Hause ein und er kam gleichzeitig mit dem Velo vorgefahren. Woher er denn komme, fragte wir ihn. «Von der Schule, ich musste nachsitzen», war seine Antwort. Der Grund: er habe während des Unterrichts auf dem schuleigenen iPad den Kurs einer Kryptowährung, in die er investiert hat, nachgeschaut. In diesem Blogbeitrag soll es nicht um Sinn oder Unsinn von schulischen Sanktionsmassnahmen gehen. Er zeigt, wie Lernen geht.

Eigene Lernerfahrung

Im Verlauf des Gottitages kamen wir verschiedentlich auf das Thema Kryptowährung zu sprechen. Der Vierzehnjährige wusste bei vielen Fragen Bescheid. Wie er zu diesem Wissen gekommen sei, wollten wir wissen. «Ein Amerikaner erklärt in verschiedenen Videos auf YouTube, wie das mit den Kryptowährungen funktioniert. Die habe ich mir angeschaut. Dann habe ich mich mit meinem Vater, der ebenfalls in Kryptowährungen investiert, unterhalten. Und ich tausche mich mit Schulkollegen über das Thema und unsere Erfahrungen aus», erklärte er.

YouTube ist das meistgenutzte Lerninstrument

Seine Aussagen bestätigen verschiedene Erkenntnisse. Zum Beispiel das Resultat der Untersuchung zu den meistgenutzten Lerninstrumenten, dass YouTube seit Jahren das Lerninstrument Nummer 1 ist. Oder dass Lernen aufgrund der unmittelbaren Motivation zustande kommt. Das heisst, Lernen findet dann statt, wenn es einen aktuellen Grund dafür gibt. Im Fall des Vierzehnjährigen den Wunsch, in Kryptowährung zu investieren. Lernen auf Vorrat – wie es beispielsweise in der Schule und Weiterbildungen praktiziert wird – funktioniert nicht respektive ist sehr ineffizient (Wie viel haben Sie auf Vorrat gelernt und wieder vergessen?).

Lernen erfolgt selbstmotiviert

Besonders deutlich zeigt das Beispiel des Gottibubs, dass Lernen selbstmotiviert geschieht. Er wollte das lernen und hat sich das selber beigebracht. Er war sogar bereit, sein Taschengeld zu investieren. Es gab keine Schule oder andere Instanzen, die ihn angewiesen hätten, dass er das jetzt zu lernen habe. Peter Senge, Autor des Buches «Die fünfte Disziplin – Kunst und Praxis der lernenden Organisation», schreibt dazu: «Niemand muss einem kleinen Kind das Lernen beibringen. Genaugenommen muss man einem Kind überhaupt nichts beibringen. Kinder sind von sich aus wissbegierige Entdecker, die ganz von alleine und meisterhaft lernen.»

Meine Erkenntnisse

Was hat das Beispiel für mich verdeutlicht?

  1. Es zeigt einmal mehr, dass Menschen von sich aus motiviert sind, zu lernen und sich das Lernen selber organisieren. Das bleibt auch im Erwachsenenalter so.
  2. Lernen findet mit unterschiedlichsten Quellen statt: YouTube, Fachgespräch, Austausch, ausprobieren und viele weitere. Jedoch eher weniger durch institutionalisierte Formen des Vermittelns.
  3. Neben dem eigentlichen Lerngegenstand (in diesem Fall Kryptowährungen) gibt es noch andere positive Effekte. So beherrscht beispielsweise unser Gottibub Englisch recht gut, weil er sich die YouTube-Videos in der Originalsprache anschaut.

Und die Arbeitswelt?

Anhand dieses Erlebnisses können wir uns Fragen für die Arbeitswelt stellen:

  • Wie gelingt es uns, im Arbeitsalltag mehr Lernen nach Bedarf zu ermöglichen?
  • Wie viel Lernzeit on the job ist in den Organisationen erlaubt und sogar erwünscht?
  • Wenn Geschäftsmodelle erodieren und Innovation gefragt ist: Warum hat Lernen in Organisationen einen so kleinen Stellenwert?

Für Organisationen könnte das bedeuten, dass es darum geht, Lernen zu ermöglichen. Oder wie es Harold Jarche, ein kanadischer Lernexperte, ausdrückt: «Work is learning and learning is the work».

Autorin

Luzia Anliker

Luzia Anliker ist Beraterin und Coach. Im Blog berichtet sie aus ihrer langjährigen und vielfältigen Tätigkeit bei crearium.

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