In einem traditionsreichen Unternehmen mit mehreren hundert Mitarbeiter:innen gab es vor ein paar Monaten einen Wechsel an der Unternehmensspitze. Für den neuen Geschäftsführer ist klar, dass es (auch) andere als die bisherigen, sehr klassischen (Management)Ansätze braucht, um die anstehenden Herausforderungen zu meistern.
Es ist ihm ein grosses Anliegen, dass die Mitarbeiter:innen mehr Partizipationsmöglichkeiten als bisher haben. Wenn sich die Mitarbeiter:innen stärker einbringen können und ihre Sicht wichtig ist und zählt, erhöht das den Grad der Mitwirkung und somit die Selbstverwirklichung/Selbstwirksamkeit. Das entspricht auch der aktuellen Forderung nach einer besseren Arbeitskultur.
Er hat also allen Mitarbeiter:innen mitgeteilt, dass ab jetzt die Möglichkeit besteht, sich stärker einzubringen. Vorschläge und Eigeninitiative nach dem Pull-Prinzip sind ausdrücklich erwünscht, die Einhaltung des (hinderlichen und oft sehr bürokratischen) Dienstwegs ist nicht in jedem Fall gehorsamst einzuhalten. Ein Befreiungsschlag also, der dem von den Mitarbeiter:innen vielfach geäussertem Wunsch nach mehr Mitwirkung doch entspricht, oder?
Geschehen ist dann … praktisch nichts. Die Mitarbeiter:innen haben die vom CEO angebotenen Möglichkeiten kaum in Anspruch genommen. Es gab kein Pull, wenig Übernahme von Verantwortung, wenig aktives Mitdenken. Die Enttäuschung und das Unverständnis beim Geschäftsführer waren entsprechend gross. Was hat dazu geführt?
Menschen verhalten sich den Umständen entsprechend. Die Verhältnisse bestimmen das Verhalten. In dieser Organisation war alles auf die Hierarchie ausgerichtet. Nicht, weil die Mitarbeiter:innen «das Mindset» hätten, es müsse alles oben entschieden werden. Sonden weil alle Prozesse, Weisungen, Regeln etc. so eingerichtet sind, dass den Mitarbeiter:innen kaum eine Möglichkeit für die Mitwirkung bleibt. Die Einladung des CEO an die Mitarbeiter:innen, sich stärker einzubringen, lief somit ins Leere.
Damit die eröffneten Möglichkeiten Wirklichkeit werden können, braucht es zuerst Arbeit AM System. Nur die Möglichkeit auszusprechen reicht nicht. Es braucht auch geschaffene Tatsachen. Damit ist nicht gemeint, einen mutigen Mitarbeiter, der die eröffnete Möglichkeit einmal in Anspruch nimmt und damit gegen die bestehende Ordnung «verstösst», nicht abzustrafen. Sondern das Schaffen von Verhältnissen, die die Mitwirkung der Mitarbeiter:innen fördern oder erfordern. Das ist für viele Organisationen nicht einfach und zum Teil kaum vorstellbar. Hier «das Mindset» zu ändern wäre eine wirkungsvolle Intervention.
Der Geschäftsführer hat das erkannt und ist daran, mit der Geschäftsleitung das gemeinsame Verständnis für die Arbeit am System zu erhöhen. Wir gratulieren ihm zu seinem Vorhaben und wünschen ihm und dem gesamten Unternehmen gutes Gelingen.
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