Wir kennen das alle: Wenn uns etwas nervt, dann achten wir uns umso mehr darauf und es nervt noch mehr. Das kann zum Beispiel sein, wenn jemand mit dem Kugelschreiber spielt oder mit dem Stuhl wippt. Wir blenden dabei alles andere aus, entwickeln einen Tunnelblick und je mehr wir uns daran stören, umso mehr konzentrieren wir uns auf das «nervende» Verhalten. Das ist ein Beispiel von selektiver Wahrnehmung.
Das kennen Sie nicht? Haben Sie Lust auf einen Test? Schauen Sie sich das Video auf YouTube an und folgen Sie den Instruktionen (und lesen Sie erst nachher weiter): zum Video.
Dieses Video zeigt eine Studie der kognitiven Psychologen Daniel Simons und Christopher Chabris. Versuchspersonen spielen sich in zwei unterschiedlichen Teams Basketbälle zu. Die Aufgabe des Betrachters ist dabei, die Anzahl der Pässe einer Mannschaft zu zählen. Etwa die Hälfte der Teilnehmer der Studie übersieht dabei eine Person in einem Gorillakostüm, die durch das Bild läuft. Und Sie – haben Sie den Gorilla bemerkt? Wollen Sie sich gleich noch einmal testen? Dann schauen Sie sich auch dieses YouTube-Video an: zum Video (bis zum Schluss schauen, aber nicht schummeln).
Selektive Wahrnehmung basiert zunächst auf einer wesentlichen Stärke unseres Gehirns: die Unterscheidung von Wichtigem und Unwichtigem. In jedem Augenblick empfängt unser Gehirn Impulse und unser Wahrnehmungsprozess verarbeitet und interpretiert diese Informationen (siehe dazu auch diesen Blogbeitrag und den Blogbeitrag zum Eisbergmodell). Dabei gleicht unser Hirn Informationen schnell mit bekannten Mustern ab und kann so Informationen schneller einordnen. Die selektive Wahrnehmung, auch Aufmerksamkeitsblindheit genannt, ist eigentlich ein Schutzmechanismus. Ohne ihn könnten wir die Fülle an Informationen, die täglich auf uns einprasseln, gar nicht verarbeiten. Schon Sokrates erkannte, dass wir bei unmittelbaren Beobachtungen die absolute Wahrheit gar nicht zweifelsfrei erkennen können. Stattdessen entscheidet unsere (tendenziöse) Wahrnehmung massgeblich über die Qualität unserer Entscheidungen und Handlungen.
Das Phänomen der selektiven Wahrnehmung ist darum nicht nur ein visuelles (ich konzentriere mich und fokussiere mich wie im Ballbeispiel), sondern auch ein kognitives. Die grosse Gefahr darin liegt, dass wir dabei immer nur unsere schon vorhandenen Urteile und Vorstellungen bestätigen und auch falsche Schlussfolgerungen nicht mehr überprüfen. Selbst neue Erfahrungen oder Erkenntnisse, die unseren Stereotypen widersprechen, versuchen wir so lange zu interpretieren, bis sie uns nicht länger stören.
Gerade in der interkulturellen Zusammenarbeit oder auch in interdisziplinären Teams behindern Urteile oder Vorstellungen unsere Zusammenarbeit. Dabei kann es schnell in Vorurteilen münden oder zu Konflikten beitragen. Allgemeingültige Rezepte in Bezug auf die selektive Wahrnehmung gibt es nicht. Aber folgende Punkte helfen im Umgang damit:
Kennen Sie noch andere Tricks? Schreiben Sie uns oder notieren Sie sie gleich ins Kommentarfeld. So können wir alle voneinander lernen!
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