Sie brachen in Deutschland auf, um 2,5 Jahre später in New York anzukommen. Das war das Vorhaben des fünfköpfigen Künstlerkollektivs leavinghomefunktion. Sie suchten einen Landweg, der sie in Richtung Osten bis in den Westen führen würde. Als Transportmittel wählten sie russische Ural 650 Seitenwagenmotorräder. Obwohl niemand von den fünf Gruppenmitglieder Motorrad fahren konnte. Geschweige denn, ein Motorrad reparieren. Es ging ihnen in erster Linie auch nicht darum, nach New York zu gelangen. Viel wichtiger war es, herauszufinden, wie sie mit scheinbar unlösbaren Herausforderungen umgehen. Wir haben drei der fünf am Swiss Social Collaboration Summit in Zürich getroffen, wo sie uns von ihrem Abenteuer erzählt haben. Ihre Geschichte zeigt eindrücklich, wie sie mit Komplexität umgegangen sind.
Auf den ersten Blick mag es weit hergeholt erscheinen, dieses Vorhaben in einen Unternehmenskontext zu stellen. Doch es zeigen sich einige Parallelen:
Ich höre schon die Einwände:
Lassen Sie uns diese zwei Einwände kurz vertiefen.
Der Zweck eines Unternehmens muss einzig den Angestellten sinnvoll erscheinen. In der Regel produziert ein Unternehmen etwas, für das Käufer bereit sind, Geld auszugeben. Das ist auch bei Leavinghomefunktion so. Sie trieben im Vorfeld Geld auf, das sie für ihr Vorhaben einsetzen konnten. Es gab also viele Menschen und Unternehmen, die den Zweck ebenfalls so wichtig einschätzten, dass sie Geld dafür gaben. (Und es waren nicht nur Familienmitglieder und Freunde, die Geld spendeten. Fünf Menschen plus alle Aufwände für Material und Logistik für 2,5 Jahren zu finanzieren ist kein Taschengeld.)
Natürlich haben sich Leavinghomefunktion vorbereitet. Sie machten beispielsweise alle die Motorradprüfung. Und sie überlegten sich, wie sie als Team funktionieren wollten. Viel mehr war eigentlich kaum möglich. «Wenn ich nicht weiss, was vor mir liegt, wie soll ich denn wissen, was wir brauchen?», erklärt Johannes, eines der fünf Teammitglieder. Sich für alle Eventualitäten abzusichern, ist schliesslich ein Ding der Unmöglichkeit. Das gilt auch für Unternehmen, die in einer zunehmend komplexen Welt bestehen wollen: Techniken und Kompetenzen bereit haben, um auf (fast) alles vorbereitet zu sein. Und sich Gedanken machen, wie die Menschen im Unternehmen miteinander umgehen sollen, wie sie Entscheide fällen und neue Ideen entwickeln.
Wie sind Leavinghomefunktion vorgegangen, um ihr Vorhaben umzusetzen? Als erstes fällt auf: sie machten keinen Plan. «Der wäre ohnehin nutzlos gewesen. Die Motorräder waren so unzuverlässig, dass wir ständig Pannen hatten», sagt Anne. Die erste Panne hatten sie dann auch bereits nach 25 Kilometern. Sie brauchten mehr als eine Woche, um aus Deutschland raus zu kommen. An ihren Motorrädern ging alles kaputt, was kaputt gehen konnte. «Wir verbrachten etwa gleich viel Zeit mit Reparieren wie mit Fahren», erklärt Johannes. Wenn sie in total unbevölkertes Gebiet starteten, rechneten sie aus, wie viel Lebensmittel und Treibstoff sie benötigen werden. «Wir haben uns häufig verschätzt und zu wenig Proviant mitgenommen», sagt Anne. «Wir mussten dann die Lebensmittel rationieren oder hatten auch mal zwei Tage nichts zu essen.»
Die Analogie in die Wirtschaftswelt:
Dies war ein wesentlicher Aspekt des Unterfangens. Leavinghomefunktion wollte mit den Leuten vor Ort in Kontakt kommen. Mit einer Panne ist dies sehr viel einfacher möglich. «Wenn du am Strassenrand stehst, halten die meisten Leute an und helfen dir. Panne ist eine universelle Sprache, die versteht man überall», erklärt Elisabeth. «Wir erhielten Einladungen zum Gespräch, zum Tee, zum Bleiben. Die Menschen öffneten ihre Garagen, suchten nach Ersatzteilen und halfen bei Reparaturen.»
Die Analogie in die Wirtschaftswelt:
Als Mitteleuropäer ist es schwer vorstellbar, was in Sibirien noch alles als «Strasse» bezeichnet wird. Die Gruppe musste mit den 600 Kilogramm schweren Gefährten Flüsse und hüfttiefe Sümpfe durchqueren. Dort, wo Sibirien endet, stiessen sie auf die nächste Herausforderung: «Die ‘Old Road of Bones’. Diese Strasse als «unbefahrbar» zu beschreiben, würde die ganze Sache wohl am treffendsten beschreiben», sagt Leavinghomefunktion. Und irgendwann hörte die Strasse auf. Ihnen blieb nur noch der Fluss Kolyma. Sie bauten für jedes Motorrad ein Floss. «Am Anfang hatten wir mehrere kleine Flösse. Wie an Land hatte einer die Ersatzteile, einer die Nahrungsmittel. Ungefähr 20 Sekunden nach dem Start ist ein Floss in einem Baum hängen geblieben. Wir haben dann alles zu einem grossen Floss verbunden. Das war sechs Tonnen schwer, fast 65 Quadratmeter gross und liess sich nur steuern, wenn zwei parallel liegende Motorräder gelaufen sind. Wenn der linke mehr Gas gegeben hat, ist das Ding nach rechts, und andersherum», führt Johannes aus.
Die Analogie in die Wirtschaftswelt:
Leavinghomefunktion erzählen von ihrem Abenteuer. Wir empfehlen wärmstens, einen Anlass zu besuchen, wenn die Möglichkeit besteht. Die öffentlichen Termine sind hier zu finden: http://leavinghomefunktion.com/de/prasentationen/
Es gibt einen interessanten Podcast von Ingo Stoll, der sich mit Leavinghomefunktion unterhalten hat: https://masters-of-transformation.org/motcast/085/
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