10.04.2019

Eine Firma baut auf Peer Recruiting

Wie sich Führung mit den Werten Vertrauen und Transparenz zeigt.

Peer Recruiting

Peer Recruiting erhöht die Einstellungserfolge.

Immer mehr setzt sich – sehr zu meiner Freude – ein modernes Führungsverständnis durch, das auf Vertrauen und Transparenz setzt. Peer Recruiting ist eine Methode, die moderne (Netzwerk)Organisationen einsetzen. Im Zuge der agilen Transformation durfte ich in einer Organisationseinheit eines öffentlichen Verkehrs- und Bahnbetriebs mitwirken und die Methode Peer Recruiting vorantreiben.

Was ist Peer Recruiting?

Peer Recruiting beruht auf den Werten «Vertrauen» und «Transparenz» und verteilt die Aufgaben des Einstellungsprozesses auf die Mitglieder eines Teams, in dem eine Stelle zu besetzen ist. Und zwar mit der Absicht, gemeinsam die Verantwortung für eine gute Teamzusammensetzung zu übernehmen. Die Verantwortung verlagert sich dabei von der Führungskraft zu mehreren rekrutierenden Teammitgliedern (zum Beispiel Rekrutierungskreis) bis hin zum gesamten Team. Peer Recruiting ist kein geschützter Begriff und in der Literatur existieren synonyme Verwendungen wie Teamstaffing, Teamrekrutierung, Collaborative Hiring oder Team-based hiring.

Welchen Nutzen bietet diese Methode?

Peer Recruiting generiert einen Mehrwert aus vier Perspektiven:

  • aus der Sicht des Bewerbenden
  • aus der Sicht der Mitarbeitenden
  • aus der Sicht der Führungskraft
  • aus dem Blickwinkel der Organisation

Als Kandidat ist es viel spannender, im Dialog auf Augenhöhe, fachliche Details direkt mit den potentiellen Arbeitskollegen und Arbeitskolleginnen zu diskutieren. Das Erlebnis der Bewerbenden verbessert sich damit massgeblich.

Für die Teammitglieder bietet diese Methode Raum für Entwicklung und Mitgestaltung. In meiner Erfahrung ist es niemandem egal, mit wem er in Zukunft acht Stunden pro Tag Zeit verbringt. Durch die vertiefte Einsicht erhalten sowohl die Kandidierenden wie auch die Teammitglieder ein besseres Gefühl, wie der Kandidat oder die Kandidatin zum Team und umgekehrt passt. Diese Passung betrifft nicht nur die fachlichen Fähigkeiten, sondern gerade auch die menschlichen und (unternehmens)kulturellen Faktoren.

Die Mehrfachperspektive unterstützt die Führungskraft und verhindert allfällige Rekrutierungsbiases (Bias = systematische fehlerhafte kognitive Verzerrung). Ausserdem erfährt die Führungskraft Entlastung bei den Rekrutierungsaufgaben. Das ist für Führungskräfte, die unter chronischem Zeitmangel leiden, ein nicht zu unterschätzender Gewinn. Zudem muss die Führungskraft nicht die gesamte Verantwortung für den Einstellungsentscheid tragen.

All diese Faktoren steigern die Rekrutierungserfolge und helfen mit, die richtigen Menschen an Bord zu holen. Was sehr im Interesse der Organisation liegt.

Gibt es auch Schattenseiten?

Auf den ersten Blick erscheint Peer Recruiting aufwändiger: grösserer Zeitaufwand, mehr Diskussionen, keine schnelle Entscheide. Etwas weiter gedacht zeigen genau diese Punkte einen weiteren Mehrwert für die Organisation. Die breitere Abstützung gestaltet den Rekrutierungsprozess sorgfältiger, was zu weniger Fehleinstellungen führt und somit zu tieferen Rekrutierungskosten. Die Einbindung des Teams führt zu einem besseren Zusammengehörigkeitsgefühl und folglich zu einer besseren Zusammenarbeit innerhalb des Teams, was wiederum eine höhere Produktivität und Effizienz zur Folge hat.

Welche Voraussetzungen braucht es dazu?

Als Führungskraft musst du bereit sein, Verantwortung, Aufgaben und Kompetenzen ab- und weiterzugeben. Natürlich kann eine Führungskraft weiterhin Aufgaben in der Rekrutierung übernehmen. Aber es gibt keinen Einzelentscheid mehr.

Die Teammitglieder benötigen Gestaltungswillen und die Bereitschaft zur Übernahme von Verantwortung. Ausserdem hilft eine gewisse Lust, sich mit der Kultur und der Identität des Teams auseinander zu setzen. Je authentischer sich ein Team zeigt, wie es arbeitet und wie es tickt, umso spannender ist es für die Kandidierenden. Und umso treffender entscheidet sich das Team für die neue Kollegin oder den neuen Kollegen.

Weiter braucht es eine Organisation, die diese Rekrutierungsmethode zulässt und auf die Werte Vertrauen und Transparenz setzt.

Erste Erfahrungen

In der erwähnten Organisation wenden bereits mehrere Teams Peer Recruiting erfolgreich an. Ein Kandidat, der so rekrutiert wurde, erzählte im Dialog: «Mich hat das Gespräch mit meinen potentiellen Kollegen begeistert. Ich wusste sofort: wenn mein zukünftiger Chef so viel Vertrauen in sein Team setzt, dann werde ich super mit ihm klar kommen!» Die Methode hat noch einen weiteren Effekt: sie sorgt dafür, dass sich mehrere Personen aus dem Team darum kümmern, dass sich eine Person in das Team einfügt und wohlfühlt.

Ich gratuliere dieser Organisation zu diesem Schritt und bin überzeugt, dass dieses moderne Verständnis auch insbesondere bei den jüngeren Generationen sehr attraktiv ist!

Autorin

Luzia Anliker

Luzia Anliker ist Beraterin und Coach. Im Blog berichtet sie aus ihrer langjährigen und vielfältigen Tätigkeit bei crearium.

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Kommentare (2)

  • Roger Renggli am 10.04.2019
    Super-interessant! Danke für den Bericht, Luzia.

    Und: Drücke einem Team eine/n neue/n Kollegen/in auf, und sie werden dir beweisen, dass es ein Fehlentscheid war. Und umgekehrt: Sie werden den Teufel tun zu beweisen, dass die Person performt und sie voll und ganz unterstützen.
    • Luzia am 10.04.2019
      Vielen Dank Roger! Ja genau - das war auch unsere Beobachtung. Der vermeintlich, anfängliche Mehraufwand des Peer Recruitings hat sich doppelt gelohnt. Alle schauen mit, dass der neue Kollege oder Kollegin gut ankommt im Team. Toll!
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