Schau mir in die Augen… Der Blickkontakt kann eine positive Botschaft transportieren wie Sympathie und Wertschätzung. Oder die Wichtigkeit der Nachricht unterstreichen und der Wichtigkeit des Gesprächspartners Bedeutung geben. Der Blickkontakt – oder eben auch gerade der fehlende Blickkontakt – kann aber auch eine negative Bedeutung vermitteln wie zum Beispiel Unsicherheit, Ablehnung, Herausforderung, Schock oder Scham. Welche Botschaft ankommt, bestimmt nicht nur der Sender, sondern auch der Empfänger. Dabei spielen die kulturellen Rahmenbedingungen eine wichtige Rolle.
Der Blickkontakt gehört als nonverbales Kommunikationsmittel zum menschlichen Verhaltensrepertoire in der Interaktion und wird durch unsere Sozialisation geprägt (siehe auch Blogbeitrag März 2016 und Blogbeitrag April 2016). Dass dabei auch kulturelle Missverständnisse auftreten können, zeigen folgende Coaching-Gespräche mit zwei Führungskräften.
Eine Führungskraft aus einem gehobenerem Gastronomiebetrieb wollte seinen Führungsstil reflektieren und sich in seiner Durchsetzungskraft entwickeln. Im Gespräch erzählte er mir Beispiele mit einem Mitarbeiter aus Sri Lanka, bei dem er das Gefühl hatte, sich nicht genug Respekt zu verschaffen. Bei genauerem Nachfragen schilderte er mir folgende Beschreibung: «Wenn ich ihm im Mitarbeitergespräch etwas erzähle, schaut er mich nicht an. Also sage ich es noch deutlicher und der Mann schaut mich immer noch nicht an! Er respektiert mich überhaupt nicht und nimmt mich als jüngere Führungskraft nicht ernst.» Ich fragte nach, ob sich der Mitarbeiter denn an das gesprochene Wort halte. Die Führungskraft bestätigte die Einhaltung, wies aber immer wieder auf den fehlenden Blickkontakt hin. Er interpretierte den abgewandten Blickkontakt als Ablehnung und fühlte sich dadurch sehr verunsichert, manchmal sogar provoziert.
Offensichtlich gab es da ein grosses Missverständnis. Denn der Mitarbeiter aus Sri Lanka zeigt grössten Respekt, in dem er die Führungskraft eben genau nicht anschaute. In asiatischen Kulturen gelten andere Konventionen. So wird der direkte Blickkontakt in China oder Japan häufig als offensiv empfunden und daher vermieden. Im Gespräch mit der Führungskraft diskutierten wir die Interpretationen und das Missverständnis. Das neu gewonnene Wissen ermöglichte der Führungskraft einen neuen Blickwinkel und dadurch veränderte sich auch seine Reaktion auf den Mitarbeiter. Wir konnten uns danach der Durchsetzungskraft zuwenden, wo es angebracht war.
Ein anderes Beispiel für kulturelle Missverständnisse habe ich mit einer Amerikanerin besprochen. Wegen ihrer Arbeit und Position veranstaltete sie oft Kundenanlässe mit anschliessendem Apéro. Ihr fiel dabei auf, dass ihre Geschäftspartner die Beziehung mit den Kunden anders gestalteten und dabei auch erfolgreicher Geschäftsbeziehungen knüpften. Sie schilderte mir die Situationen und dabei reflektierten wir die unterschiedlichen Handlungen und die möglichen Wirkungen auf die Kunden.
Unter anderem deckten wir ein Missverständnis auf. Aus ihrer Kultur war die Frau gewohnt, beim ersten Glas den Trinkspruch in die Runde zu sprechen und mit einem «Cheers» einzuladen. Es ist ein kollektives Erlebnis. In der Schweiz dagegen wird die Tradition gepflegt, mit jedem einzelnen anzustossen. Dabei wird der Blickkontakt mit der Person aktiv gesucht und der Name genannt. Dies ist ein wichtiger, fast intimer Moment, der Wertschätzung ausdrückt und oft die Brücke zum nachfolgenden, tieferen Kontakt einleitet. Dieser Prozess braucht Zeit, gerade wenn es eine grössere Runde ist. Der Akt des Trinkspruches ist in diesem Fall ein individuelles Erlebnis.
Die Kundin probierte diese neue Erkenntnis beim nächsten Anlass gleich aus und ihr Schlüsselmoment war der Blickkontakt. Durch das aktive Suchen des Blickkontaktes nahm sie eine tiefere Qualität der Beziehungsgestaltung wahr.
Kennen Sie auch solche Erlebnisse? Welche Beispiele haben Sie erlebt, wo es absolut wichtig war, den Blickkontakt zu suchen? Oder eben genau nicht zu suchen? Lassen Sie uns gemeinsam voneinander lernen und Beispiele austauschen.
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